Photo: Tim Kramm, 2021

Neues Jahr, neues Gemüse. Wir blicken auf ein erfolgreiches Market Garden Testjahr zurück und freuen uns das Gemüse-Handwerk auf 80 Kisten pro Woche zu erweitern. An dieser Stelle nochmal vielen Dank an unsere 20 Gemüsepioniere, die uns letztes Jahr unterstützt haben.

Jedoch wollen wir nicht nur die Quantität unseres Gemüses erhöhen. Unser Garten zieht um an eine andere Stelle unseres Hofs und wird auch noch ansprechender und diverser gestaltet – für Mensch und Umwelt.

Anpassung

Market Gardening stellt eine absolute No-Regret Maßnahme für unseren Betrieb dar. Als neuer Einkommenszweig hat der Gemüseanbau das Potential, einen relevanten Beitrag zur ökonomischen Robustheit des Betriebes zu liefern. Die Reduzierung auf ökonomische Aspekte und Einkommensdiversifizierung würde der Tragweite des Market Gardening als Anpassungsmaßnahme jedoch nicht gerecht werden.

Also fangen wir vorne an:

Wer uns kennt weiß, dass wir immer über fehlenden Regen meckern. Zwar projizieren die meisten Klimamodelle keine nennenswerten Veränderungen der klimatischen Wasserbilanz in unserer Region Nordhessen, aber die Trockenjahre 2018/2019/2020 sind uns stark im Gedächtnis geblieben. Das Problem bei Trockenheit: alle unsere Betriebszweige sind von ausreichendem Niederschlag abhängig. Egal ob Mutterkühe, Pferdehaltung oder Getreideanbau. Wird das Wasser knapp, gehen die Erträge runter – und die Kosten rauf. Bewässertes Market Gardening kann die trockenheitsbedingten Verluste der anderen Betriebszweige zumindest teilweise abfangen. Natürlich ist dies auch nur eine Anpassungsoption, solange gesammeltes Regenwasser und Grundwasser konfliktfrei genutzt werden können.

Darüber hinaus können wir einen neuen Betriebszweig mit wenig Fläche und verhältnismäßig geringem Investitionsumfang testen. Die Maßnahme ist flexibel, reversibel und kann schnell angepasst werden. Das Risiko, dass sich Market Gardening als Fehlanpassung herausstellt, ist damit sehr gering. Des Weiteren ergänzt es die anderen (und zukünftigen) Betriebszweige mit Direktvermarktung.

Mittelfristige Maßnahmen unserer Klimastrategie (v.a. die eigene Kompostherstellung) können unser Market Gardening noch effizienter und unabhängiger von externen Inputs machen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz

 

Neben den Vorzügen für die Klimaanpassung verbessert Market Gardening die soziale Nachhaltigkeit des Hof Tolle. Neben der Ausweitung der lokalen Ernährungssouveränität erhöht es die Attraktivität des ländlichen Raums – durch neue, interessante Arbeitsplätze, aber auch durch eine anregende Gestaltung des Gartens mit vielfältigen Strukturen und Habitaten. Das wiederum beeinflusst die lokale Biodiversität und andere Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit positiv.

In Fragen des Klimaschutzes fehlt leider noch die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas. Wir haben eine kleine Klimabilanzierung auf Basis der verwendeten Inputs erstellt (schreibt uns gerne, falls ihr mehr Details dazu möchtet). Dabei zeigte sich, dass vor allem der Kompost (der Hauptinput) und die Annahmen über die Klimaeinwirkungen des Herstellungsprozess einen großen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Da bei der Kompostherstellung viele verschiedene Methoden existieren und auch die wissenschaftlichen Ergebnisse teilweise konträre Ergebnisse liefern, kann keine abschließende Aussage zu den THG-Emissionen des Market Gardening gemacht werden. Jedoch hat es das Potential, die industrielle, konventionell-intensive Gemüseproduktion auch in dieser Hinsicht zu übertreffen – trotz relativ hoher Annahmen über die Emissionen der Kompostherstellung.
Bei unserem Betrieb zeigt sich, dass neben der Kompostierung auch die Verteilung der Gemüsekisten einen Einfluss auf die Klimabilanz des Endprodukts hat. Aufgrund der ländlichen Strukturen holen viele Kunden ihre Kisten mit dem eigenen PKW ab. Momentan prüfen wir, inwieweit eine Auslieferung (im besten Falle mit E-Transporter) möglich wäre und wie groß die positiven Auswirkungen auf die Klimabilanz wären. Es gibt auf jeden Fall noch viel zu tun!

 

Wir ihr seht, hat Market Gardening ein großes Potential und bearbeitet viele Probleme, mit denen moderne Landwirtschaft konfrontiert ist. Dementsprechend motiviert sind wir, mehr zu lernen und noch mehr auszuprobieren.  

Wir freuen uns auf die neue Gemüsesaison und unsere neuen Kunden!

Cheers,
Nils

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